Neurologische Behandlungen nach dem Bobath Konzept
Wenn der behandelnde Physiotherapeut einen neuen Patienten kennenlernt, erarbeitet er mit ihm gemeinsam u.a. folgenden Fragen bzw. persönliche Ziele:
Welche Aktivitäten des täglichen Lebens führt der Patient bereits selbstständig aus? Welche Bewegungsübergänge könnte er in Zukunft erlernen? Welche Bewegungsmuster können verbessert werden, um orthopädische Folgeerkrankungen und Schmerzen zu vermeiden?
Anhand dieser Fragen erstellt der Physiotherapeut ein individuelles Behandlungskonzept für jeden Patienten mit Schädigungen am zentralen Nervensystem. Behandelt werden vor allem Patienten nach Schlaganfall, mit einer Parkinson-Erkrankung, Multipler Sklerose, frühkindlichem Hirnschaden sowie mit Lähmungen aller Art.
Das Bobath Konzept entstand im Jahre 1943 durch Berta und Dr. Karel Bobath, die als Physiotherapeutin und als Neurologe tätig waren. Die Hauptannahme der beiden war die Plastizität des Gehirns, was bedeutet, dass gesunde Hirnareale die Aufgaben und Funktionen der geschädigten Hirnareale übernehmen können und für den Patienten die Chance besteht, die verloren gegangene Motorik wieder neu zu erlernen. Laut den Bobaths entsteht Spastizität aufgrund der Vernachlässigung der gelähmten Seite, denn das Gehirn enthält so weniger Reize, um Bewegungsabläufe in anderen Gehirnarealen abzuspeichern. Im Fokus steht daher die Integration der betroffenen Seite des Patienten in seine Alltagskompetenz. Dies geschieht durch den 24-Stunden-Ansatz, bei dem der Patient in seinem gesamten Tagesablauf durch Pflegende, Angehörige und Therapeuten, die sich fortwährend über die aktuellen Bedürfnisse des Patienten austauschen, begleitet wird. Das Ziel des Konzeptes ist es, die Selbstständigkeit des Patienten zu fördern und ihm eine aktive Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Es gilt die Lebensqualität des Patienten zu verbessern bzw. zu erhalten, um z. B. orthopädische Folgeerkrankungen und Schmerzen an Gelenken zu vermeiden.
Während der Behandlung analysieren die Physiotherapeuten genau die Bewegungsabläufe des Patienten. Sie schauen, welche Muskelgruppen vom Patienten gut angesteuert werden können und welche mittels Berührungsreiz durch einen Therapeuten aktiviert werden müssen, um effiziente und ökonomische Bewegungsübergänge zu ermöglichen. Dieser Therapieansatz nennt sich Fazilitation und ermöglicht das Anbahnen von physiologischen Bewegungsmustern. Als höchstmögliche Fähigkeit steht da das Gehen mit und ohne Hilfsmittel, welches dem Patienten die bestmögliche Mobilität und Selbstständigkeit ermöglicht bzw. erhält.
Selbstständiges Gehen wird durch adäquates Aufstehen eingeleitet.
Für den Gang benötigt der Patient zuerst den Einbeinstand und erst danach den Zweibeinstand. Es wird somit eine Sturzprophylaxe betrieben, in dem der Patient lernt vom Boden wieder aufzustehen. Auch Lagerungswechsel im Bett werden beübt sowie pflegerische Tätigkeiten (z.B. Zähneputzen mit der gelähmten Seite) und Aktivitäten im Haushalt (z.B. das beidhändige Aufhängen der Wäsche).
Angelehnt sind diese Behandlungsansätze an die persönlichen Ziele des Patienten, die er in seinem gewohnten Umfeld durchführen möchte.
Daher gibt es keine festgelegten Übungen im Bobath Konzept und der Therapieplan orientiert sich individuell an die Bedürfnisse des Patienten.
Die Bobath Behandlung ist eine verordnungsfähige Kassenleistung. Der Hausarzt oder der Neurologe stellt eine Heilmittelverordnung 13 für Krankengymnastik am zentralen Nervensystem (KG-ZNS) aus. Das Bobath Konzept kann eine langfristige Behandlungsmethode darstellen, die der Patient solange nutzt bis er seine gewünschte Selbständigkeit erlangt hat.
Ein Beitrag von Milena Grüger, Physiotherapeutin und Nicolas Biro, Physiotherapeut